Status Quo zum Ehrenamt in Deutschland – Teil 1: Beteiligungsquote, Demografie und Berufliche Stellung von Ehrenamtlichen

In einer zweiteiligen Artikelreihe werden wir über den Status Quo zum Ehrenamt in Deutschland berichten. Im diesem ersten Teil geht es hauptsächlich um die aktuelle Situation zum sozialen Engagement im Allgemeinen sowie der Beteiligung nach Altersgruppen und nach Bildungsstand / Qualifikation.  Lassen sich Korrelationen zwischen Charakteristika erkennen? Worauf sind diese zurückzuführen und was können wir tun, um noch mehr soziales Engagement zu fördern.

 

Allgemeine Beteiligungsquote am Ehrenamt

Erfreulicherweise ist in den letzten Jahren ein aufsteigender Trend in der Anzahl der ehrenamtlich aktiven Personen in Deutschland zu erkennen – von 2019 auf 2020 gab es sogar ein Sprung von ca. 16 Mio. auf aktuell ca. 17,2 Mio. engagierten Menschen.

Das angesprochene Wachstum konnte dabei durch eine gleichmäßig verteilte Quote an „Neueinsteigern“ sowie die Mehraktivität bereits engagierter Bürger erzielt werden und wurde dabei durch eine große Gruppe gleichbleibend aktiv-gebliebener Menschen gefestigt.

Die Neueinstiege und Mehraktivitäten könnten damit erklärt werden, dass die vermehrte aktive Werbung über neue Kommunikationskanäle durch gemeinnützige Organisationen das Bewusstsein für den gesellschaftlichen Bedarf an freiwilliger Hilfe steigert. Dieser Bedarf ist in den letzten Jahren unter anderem dadurch gestiegen, weil bei der Förderung sozialer Organisationen durch Spenden ein konstanter Rückgang zu erkennen ist und Organisationen für die Erhaltung und Expansion ihrer Tätigkeiten daher noch mehr auf Freiwillige angewiesen sind. Gleichzeitig bekommen Bürger durch Social-Media-Aktivitäten der Organisationen mehr Informationen und werden auf gesellschaftliche Missstände sowie Möglichkeiten, sich dagegen zu engagieren, aufmerksam gemacht. Vor allem im Jahr 2020 hängt dieses erhöhte Bewusstsein und das Bedürfnis zu helfen mit einer größeren zeitlichen Verfügbarkeit zusammen – diese entstand durch verkürzte Arbeitszeiten in Phasen der Pandemie, durch den Wegfall üblicher Freizeitaktivitäten sowie dem Verbringen der Urlaubszeit im eigenen Ort.

Ca. 17 Mio. Menschen in Deutschland beteiligen sich ehrenamtlich - das sind ca. 30% der Gesellschaft.

1 Ca. 17,2 Mio. Menschen in Deutschland beteiligen sich ehrenamtlich – das sind ca. 30% der Gesellschaft.

Betrachten wir die aktuell ca. 17,2 Mio. Freiwilligen in Relation zur Bevölkerungsgröße der Menschen zwischen 14-70 Jahren, sind das ca. 30%. Das ist bereits eine gute Quote an Ehrenamtlichen, zeigt aber auch das riesige ungenutzte Potenzial in unserer Gesellschaft. Weiteres Wachstum und die Aktivierung der bisher nicht aktiven Bürger könnte geschafft werden, indem wir den Zugang zum Ehrenamt etwa durch flexible Angebote vereinfachen und gleichzeitig durch verstärkte Nutzung relevanter Kommunikationskanäle auf diese Angebote hinweisen. Die große Gruppe gleichbleibend aktiv-gebliebener Menschen zeigt, dass Freiwillige nicht dazu tendieren, vom ihrem Ehrenamt abzulassen. Hintergrund dafür ist die damit entstehende Befriedigung des Helfens sowie die Vereinbarkeit mit der zeitlichen Verfügbarkeit eines Jeden.

Altersverteilung von Ehrenamtlichen

Die aktuelle Quote von Ehrenamtlichen von 30% ist nicht über alle Altersgruppen der Gesellschaft gleichverteilt. Es ist zu erkennen, dass vor allem in der Altersgruppe 20-39 Jahre unterdurchschnittlich wenig geholfen wird. Berücksichtigt man hier die Größe dieser Gruppe mit ca. 20,5 Mio. Menschen, wird hier ein großes schlummerndes Potenzial deutlich. Im direkten Vergleich ist dagegen in der Gruppe 60+ ein deutlich überdurchschnittliches Engagement zu vermerken. Im Jahr 2020 ist zudem eine große Aktivität bei jungen Erwachsenen zu beobachten. Diese Fakten lassen darauf zurückschließen, dass soziales Engagement u.a. von der zeitlichen Verfügbarkeit der Menschen abhängt. Man kann davon ausgehen, dass ältere Menschen im Ruhestand durch fehlende Vollzeitbeschäftigungen generell mehr Zeit für Freiwilligendienste haben und Ehrenamt außerdem eine Verbindung zur Gesellschaft sowie Aktivität ermöglicht. Gestützt wird die zeitlich-basierte Hypothese auch durch das steigende Engagement bei jungen Erwachsenen in 2020, die durch Home-Schooling und teilweise weggefallene Freizeitaktivitäten mehr Zeit für Engagement hatten. Die Gruppe der 20-39-jährigen ist womöglich weniger aktiv, da diese in einer Lebensphase steckt, in der der Fokus auf Hobbies, Karriere und Familiengründung liegt.

Im Alterssegment 20-39 Jahre gibt es noch Potenzial zur Steigerung des sozialen Engagements.

2 Im Alterssegment 20-39 Jahre gibt es noch Potenzial zur Steigerung des sozialen Engagements. Ältere Bürger helfen dagegen schon relativ viel.

Dies muss allerdings nicht in Konflikt zu Ehrenamt stehen, denn jede Stunde im Freiwilligendienst macht einen positiven Unterschied in der Gesellschaft. Um dies zu erreichen, müssen wir diese Erkenntnis an die Zielgruppe tragen und Angebote schaffen, die mit den zeitlichen Verfügbarkeiten sowie mit den Interessen dieser Zielgruppe vereinbar sind. Vor allem in der heutigen Zeit stehen Freiheit und Flexibilität in der Freizeitgestaltung weit oben. Daher sollten gemeinnützige Organisationen Möglichkeiten schaffen, sich auch einmalig oder gelegentlich engagieren zu können und dies zu Zeiten, die mit herkömmlichen Arbeitszeiten vereinbar sind – also am Wochenende oder an den Randzeiten eines Tages.

Schulische Qualifikation und berufliche Stellung von Ehrenamtlichen

Ein Blick auf den Bildungshintergrund der sozial engagierten Menschen verrät, dass in der Gruppe derjenigen mit (Fach-)Hochschulreife und folglich sowie (Fach-)Hochschulabschluss relativ gesehen engagierter sind (im Vgl. zu ihrem Anteil an der Bevölkerung). Unterrepräsentiert ist in dieser Hinsicht die Gruppe der Menschen, die einen Hauptschulabschluss haben. Dies ist fällt folglich auch auf, wenn wir das Thema Ehrenamt im Kontext der beruflichen Stellungen in der Gesellschaft betrachten. Bei einfachen Angestellten und einfachen Arbeitern wird im Vgl. zum Anteil an der Bevölkerung deutlich weniger Ehrenamt betrieben. Ebenso ist dies bei Facharbeitern / Gesellen und noch nie berufstätig gewesenen Menschen zu beobachten. Erfreulich ist hingegen, dass Selbstständige, Angestellte mit komplexeren Aufgaben, Leitende Arbeiter sowie Beamte in der Regel mehr freiwillig helfen.

Menschen mit (Fach-)Abitur sind überproportional sozial engagiert. In der Bevölkerungsgruppe mit einem Hauptschulabschluss schlummert noch ungewecktes Potenzial.

3 (Fach-)Abiturienten sind überproportional sozial engagiert. In der Bevölkerungsgruppe mit einem Hauptschulabschluss schlummert noch ungewecktes Potenzial.

Bei den genannten Fakten lässt sich eine Korrelation zwischen sozialem Engagement und Schulabschluss, Berufsausbildung sowie des der beruflichen Stellung erkennen. Je niedriger die Qualifikation der Bürger, desto geringer fällt auch das Engagement aus. Dies könnte damit zusammenhängen, dass diese Bevölkerungsgruppe überwiegend körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten ausüben und durch Erschöpfung der Antrieb fehlt, sich zusätzlich sozial zu engagieren. Zudem könnten wechselnde Arbeitszeiten durch Schichtarbeit dazu führen, dass Engagement-Angebote aufgrund von zeitlicher Diskrepanzen nicht wahrgenommen werden können. Um diesen Hindernissen entgegenzuwirken, könnten Angebote attraktiv sein, in denen eher geistige und soziale Fähigkeiten gefordert werden und die Helfer weniger körperlich aktiv werden müssen. Zudem könnten neuartige Lösung wie e-volunteering dabei helfen, den Zugang zu einfachem Ehrenamt zu erhöhen. Ferner sollten gemeinnützige Organisationen abwägen, ob sie an verschiedenen Tageszeiten Engagementsmöglichkeiten anbieten.

 

Es ist zu erkennen, dass aktuell bereits schon viel geholfen wird und das in jeder Altersgruppe und auch über verschiedene Qualifikationsebenen. Allerdings zeigen einige Bevölkerungsgruppen noch Potenzial auf, die ehrenamtliche Aktivität der jeweiligen Bürger zu aktivieren bzw. zu verstärken. Dies können wir durch folgende Aktivitäten erreichen:

  • Schaffen von vielseitigen und flexiblen Angeboten zum Ehrenamt, welche sowohl verschiedene Interessengruppen, Fähigkeiten und zeitliche Verfügbarkeiten ansprechen
  • Auf diversen geeigneten Kanälen (v.a. Social Media) durch Präsenz und verstärkte Aktvität das Bewusstsein sowie Möglichkeiten zum Engagement schaffen

 

Im zweiten Teil erfahrt ihr, welche Interessen Ehrenamtliche verbindet, wie ihre Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit ist und wie ihr Freizeit- oder Konsumverhalten aussieht.

 

Weitere Beiträge findet ihr in unserem Blog.

 

Quellen und Links zum Nachlesen

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